8./9.8.: Graz
10.8: Graz – Bruck an der Mur
11.8: Bruck an der Mur – HieflauEtappe
12.8: Hieflau – Hohentauern
8.8 Der Rebel Ride war mit 10 Teilnehmenden zwar überschaubar, hat aber sehr Spaß gemacht und man glaubt gar nicht wie schnell mit 10 Rädern so eine Straße voll ist. Danach gibt es bei einer Runde Getränke in der Stadt eine nette Reflektionsrunde. Am Abend halte ich vor ca. 25 Leuten noch eine kurze Rede über meine Tour und ihr begeistertes Klatschen rührt mich sehr.
9.8 Ich laufe zum Sonnenaufgang auf den Grazer Schlossberg hoch… es ist unglaublich schön. Die Stadt liegt in leichtem Dunst und die grünen Hügel setzen sich von dem immer heller werden Himmel in sanften Wellen ab. Was für eine schöne Stadt! In dieser Idylle ist kaum zu glauben, dass die Feinstaubbelastung hier so hoch ist wie in keiner anderen Stadt Österreichs.
Beim XR Picknick reden wir viel darüber, dass Aktivismus mit Spaß verbunden sein muss und dass es schwierig wird, wenn es zu viele Verpflichtungen gibt, weil dann die Motivation verloren gehen kann. Ein schmaler Grad zwischen einer gewisse Koordinierung und Strukturen um beispielsweise größere Aktionen zu gestalten und einer tatsächlich regenerativen Kultur sowie dem bestmöglichen Vermeiden von Hierarchien. Impulse setzen und motivieren und dennoch die Dinge von selbst geschehen lassen oder auch damit zurecht kommen, wenn eben mal nichts geschieht. Ein spannendes Thema, über dessen bestmögliche Umsetzung wir sicher noch Stunden hätten diskutieren können.
10.8 Ich werde von Winfried aus Graz hinausbegleitet und er zeigt mir wunderschöne Orte wie naturbelassene Stellen an der Mur, Grotten und Pfade im Wald. Auch über diskutable Entwicklungen wie den Bau des Murkraftwerks (fragliche Effizienz und enormer Zementverbrauch, außerdem durch das Aufstauen im Wasser stehende Bäume, die nach ein paar Jahren absterben und umkippen) oder den Steinbruch weiß er bestens Bescheid und teilt mir sein enormes Wissen mit. Aber was seine Begleitung und Anwesenheit so besonders macht, ist sein liebevolle und rücksichtsvolle Art. Wie er durch die Natur geht und wir manchmal stehen bleiben ohne zu sprechen, aber wir wissen, dass wir diesen Ort gerade beide in uns aufnehmen, mit den Geräuschen und Gerüchen mit ihm verfließen und die Wertschätzung tief in uns etwas bewegt. Bevor sich in Frohnleiten unsere Wege wieder trennen, essen wir noch etwas mit Blick auf farbenfrohe, mannigfaltige Häuserfassaden auf der gegenüberliegenden Uferseite. Lieber Winfried vielen Dank für die wundervolle Möglichkeit, dich einen Teil meiner Reise bei mir zu haben.
11.8. Mich ruft ein Freund an, der noch am selben Abend zu mir fahren möchte um mich ein Stück zu begleiten. In Vorfreude auf ein vertrautes Gesicht fahren sich die Höhenmeter nach Eisenerz wie von selbst. Es wird immer bergiger und mir geht dabei das Herz auf. Auch wenn es regnet finde ich es atemberaubend wie sich die Wolken an Hängen entlangschieben, wie sich die Landschaft minütlich verändert und man eine immer andere Perspektive auf denselben Berg hat, der manchmal von einer anderen Sicht aus kaum wiederzuerkennen ist. Als ich auf der Kuppe bei Präbichl ankomme bin ich komplett durchnässt, aber die Wolkendecke reißt plötzlich auf und es entsteht eine wundervolle Stimmung. Eine riesige Brücke verläuft bergab über einen Teil des Hangs neben dem Erzberg.
An Eisenerz fahre ich fast vorbei, weil ich spät dran bin und entscheide mich dann doch kurz hineinzuschauen. Wäre ich hier gerade wirklich fast einfach vorbeigefahren?! Das Städtchen hat zierliche und doch schmuckvolle kleine, bunte Häuschen. Ein Bächlein verläuft durch die Altstadt und gibt den Häusern, die direkt angebaut sind einen speziellen Flair. Die gesamte Stadt fasziniert mich. Ich komme mir vor wie in einem anderen Jahrhundert. Ein Schild mit einer alten Aufschrift „Party-Alarm“ hängt über einem kleinen Gebäude. Wie diese Stadt wohl zu ihren Hochzeiten gewesen sein muss? Jetzt ist es ruhig und entschleunigend. Die paar wenigen Menschen, denen ich begegne, schauen auf meine Satteltaschen grinsen und grüßen. Als ich es dann doch schaffe mich loszureißen und loszufahren, blitzt im Hintergrund immer wieder der Erzberg auf. Im schräg stehenden, späten Sonnenlicht scheint der Hang zwischen der grünen Bewaldung und hellgrauen Gipfeln rot zu glühen. Ich bleibe nochmals stehen – es ist so schade, wenn man nur von einem in den nächsten Ort rast – und nehme den Moment in mich auf.
Auf dem Weg nach Hieflau möchte ich eigentlich nur juchzen. Ein kleiner Radweg verläuft parallel zu der kurvenden Straße und die beiden kreuzen immer wieder die Schienen. Bäume krallen sich in die teils steinigen Felshänge und das Gefühl mit dem ich diese Straße hinunterfahre erfüllt mich in einer Art und Weise wie ich es nur vom Radfahren kenne.
12.8. Spät am Abend ist Thomas noch zu mir gestoßen und wir lagen nur auf unseren Isomatten unter einem gigantischen Sternenhimmel. Die Milchstraße war so glasklar zu erkennen und fast im Minutentakt sind Sternschnuppen vorbeigeflogen, teilweise einen ganz langsam verblassenden Schweif hinter sich herziehend. Seine Anwesenheit ist so angenehm. Wir diskutieren, philosophieren und die Späße zwischendurch entstehen von selbst. Natürlich hängen wir uns bei Diskussionen über den Klimawandel und Umweltproblematiken auf. Wie sollen Lösungen für so viele Bereiche gefunden werden, warum gibt es eigentlich so viele Konzepte, und doch werden sie nicht umgesetzt, und welche technischen Aspekte sind bei E-Autos, der Zementproduktion usw. zu beachten. Unser Wissen ergänzt sich auf so vielfältige Weise, dass ich das Gefühl habe jeder von uns nimmt aus diesen Gesprächen sehr viel mit.
Die Zeit verfliegt und es ist bereits zwei Uhr nachts als wir kurzer Hand entscheiden, dass Sonnenaufgangstouren die schönsten sind. Ohne geschlafen zu haben packen wir unsere Isomatten und Schlafsäcke wieder ein. Ich esse noch ein gutes Müsli mit Wasser (gibt so viel Power, hätte er auch mal machen sollen 😉 ) und dann gehts auch schon auf den ersten Teil der Strecke mit den Rädern durch den dunklen Wald. An einer Stelle bleiben wir stehen und er erkennt aus den Lauten des Waldes, dass um uns herum Siebenschläfer sind (ich hätte das niemals erkannt). Es knackst und maunzt – ich kann leider nicht gut beschreiben wie Siebenschläfer machen. Während wir stehen und unsere Räder keine Geräusche machen, hört man erst wie lebendig der Wald ist. Es fühlt sich natürlich an und nicht bedrohlich. Tatsächlich sehen wir dann nach mehreren Minuten Lauschen noch einen Siebenschläfer. Als wir nach mehreren Stunden unterwegs sein in der goldenen Morgenstunde die letzten Meter zum Gipfel hinaufstapfen, wirkt alles surreal. In allen tieferen Schichten haben sich Wolken gesammelt, die wie ein waberndes Meer um waldige Hügel und markante Bergspitzen strömen. Die felsigen Wände werden von dem rötlichen Licht der aufgehenden Sonne angestrahlt. Es ist kein Ort zu sehen – alle versteckt unter der Wolkenschicht. Ich werde in solchen Momenten ehrfürchtig und demütig, aber in positiver Art vor der Natur und unserem Planeten. Was für ein Schauspiel! Gämsen springen etwas weiter unten in der Wiese durch lange gelbe Halme. Wir sind an zahlreichen Blumen vorbeigelaufen, die ich selbst noch nie gesehen habe zuvor. Wer solche Schönheit erleben darf, der weiß warum wir dafür kämpfen sollten sie zu erhalten. Nicht jeder hat die Möglichkeit und Zeit dazu, aber ich glaube wir müssen anfangen wieder mehr selbst zu erleben. Ich kann euch hier erzählen, wie es für mich ist, aber eine Erzählung kann niemals dasselbe Gefühl erzeugen wie wenn man es selbst erlebt.