13.8 Hohentauern – Friesach
Den nächsten Tag werde ich auch noch von Thomas begleitet, und nachdem wir eine kurze Wanderung noch im Trockenen zu einem kleinen wunderschönen Bergsee unternommen haben, geht es mit dem Rad durch strömenden Regen weiter. Aber es fühlt sich gut an mit ihm zusammen zu fahren und mit dem Gedanken an Klagenfurt, wo ein paar Aktive vor Ort sich wirklich ins Zeug legen für den Rebel Ride und mir immer wieder Zwischeninfos schicken.
In einem kleinen Gasthof machen wir Halt und nachdem wir beide viel zu organisieren haben passt das perfekt. Die Bedienung schaut uns im ersten Moment etwas komisch an – nicht wirklich verwunderlich, wir standen vor der Tür wie zwei tropfende Hunde – gibt es ein köstliches Abendessen. Das Ganze essen wir, während er in einem Call ist und ich Flyer entwerfe und Nachrichten schreibe. Die Überwindung wieder aufzubrechen ist riesig… nasse Kompressionsstrümpfe, quatschende Schuhe und eine vollkommen durchweichte Regenjacke reizen vorerst weniger. Aber wie so häufig im Leben ist das Aufraffen der größte Schritt.
Kaum sind wir 10 Minuten gefahren wird es warm und die Stimmung ist unglaublich. Die schwarzen Berge zeichnen sich scharf vor dem dunkler werdenden Himmel ab. Weiße Wolkenschwaben ziehen an manchen Berghängen empor. Die Bewegung in der Kühle ist angenehm und ich fühle wie mein Körper von Energie durchströmt wird. Wildheit – die Landschaft zieht vorüber, während ab und zu in weiter Ferne Lichtblitze den Himmel erhellen. Manche fühlen sich vielleicht mit einem Auto unabhängig, ich fühle das mit meinem Rad, das alles was ich zum Leben brauche, auf dem Gepäckträger geschnallt hat. Wildheit, Unabhängigkeit und Unbändigbarkeit. Aktivismus kostet immer wieder Kraft, neuen Mut und Entschlossenheit. All das kann ich in diesen Momenten sammeln.
14.8 Friesach – Klagenfurt
Eine kurze Strecke fahre ich mal wieder alleine, dann werde ich in St. Veit bereits von den ersten sehr lieben Kärnter XR Menschen empfangen. Jürgen und Sarah haben flyernd auf mich am Markplatz gewartet und ihr herzlicher und offener Empfang ist einfach schön. Weil ich aber auch noch einen Termin auf einem Hof habe geht es direkt weiter mit dem Rad Richtung Tultschnig. Auf dem Weg stößt ein weiterer lieber und fürsorglicher Begleiter, Konrad, dazu. Auf dem Hof angekommen spreche ich für meinen Podcast mit Johannes Wedenig über Permakultur und was für eine Philosophie sich hinter diesem Konzept verbirgt. Leider viel zu früh muss ich von dem kleinen idyllischen Fleck, der mitten im Wald auftaucht wieder los, denn der Vortrag steht auch noch an.
15.8 Klagenfurt
Mittags stehe ich mit Jürgen in der Fußgängerzone und quatsche Leute an – schon wieder, ja. Aber diesmal fällt es mir leichter und ich komme mit so vielen netten Menschen ins Gespräch, dass es fast schon Spaß macht. Außerdem kann ich viel von Jürgen lernen, wie positiv und herzlich er auf die Leute zugeht! Ich stehe oft da und bin zu schüchtern jemanden anzusprechen. Als wir uns dann mein Rad anschauen und klar wird, dass mit meinem Radlager etwas nicht stimmt, wird es stressig.
Um 17 Uhr ist Rebel Ride. ich sollte eigentlich noch ein paar Dinge organisieren, bin eigentlich total fertig und habe schon wieder keine Ahnung, wie das funktionieren soll. Aber Konrad fängt an sich um mein Rad zu kümmern und organisiert jemanden, der ihm hilft, und ich kann meine Sachen machen. An dieser Stelle möchte ich mich einfach mal bei all den Menschen bedanken, die mir auf diesem Weg so unglaublich helfen. Ich habe das Gefühl, so richtig zum Fallen bringen kann mich fast nichts mehr, weil ich einfach so unglaublich viele Stützen habe, und wenn ein Pfosten umfällt, weil etwas nicht klappt, kommt irgendjemand, der eine neue Stütze an die Stelle setzt oder mir beim Aufstellen hilft 😉
Der Rebel Ride wird der Hammer. Es gibt eine Kundgebung bei der Jürgen eine ganz fantastische Ansprache hält und auch ich bin dann relativ entspannt als ich das Mikrofon in die Hand nehme – eigentlich unglaublich, was ich alles an Hürden überwunden habe in diesem einen Jahr des aktiv Seins bei XR. Die Fahrt durch die Stadt macht Spaß und wir sind zwischenzeitlich mit an die 40 Teilnehmenden wirklich gut sichtbar. Klingelnd geht es so durch die Stadt und mit den winkenden Leuten am Straßenrand fühlt man sich ganz beflügelt auf dem Rad. Die Polizei hat gefühlt die halbe Stadt für uns abgesperrt, und so geht es dem Auto hinterher über rote Ampeln und blockierte Kreuzungen. Die Veranstaltungen sind angemeldet, weil die Sicherheit von Leuten, die teilnehmen wollen, gewährleistet werden soll. Genauso wie durch das Radfahren der Sicherheitsabstand gut eingehalten wird. Ich denke, diese vielfältige Protestauslebung von zivilem Ungehorsam bis zu angemeldeten Die-Ins oder eben Fahrraddemos wird allzu häufig vergessen, wenn man über XR spricht. Ziviler Ungehorsam ist bei den Missständen, die aktuell existieren und die fatale Zukunftsentwicklungen nach sich ziehen, eine für mich angebrachte Form des Widerstands – aber das heißt nicht, dass dieser in jeder Aktion ausgeübt werden muss. Dennoch sind disruptive Aktionen wichtig, um an diesem eingefahrenen System wirklich etwas zu ändern.
16.8. Etappe Klagenfurt – Villach
Gemeinsam mit meinem Bruder und Ole, die mich auf den nächsten Etappen begleiten werden, habe ich noch eine Nacht bei Konrad verbracht. Am morgen geht es dann neben zarten Seerosen auf eine kurze Baderunde in den herrlich türkisen Wörthersee. Im Anschluss findet das XR Picknick statt, zu dem immer mehr Menschen eintrudeln.
Es geht um verschiedenste Dinge, wie warum manche Menschen Bedenken haben aktiv zu werden, warum es bei XR Prinzipien gibt wie das, das keine Schuldzuweisungen an einzelne Personen gemacht werden sollten, worum es bei zivilen Ungehorsam überhaupt geht, was die Gefahren sind, wenn eine Protestbewegung nicht in sich selbst nachhaltig ist (Regenerative Kultur!), und vieles mehr. Für mich war es sehr rührend wie viele Menschen sich bei mir beim Check-Out (=Abschlussrunde: wie es einem jetzt geht, und wie man die Veranstaltung/Aktion/Call fand) bedankt haben. Viele haben gemeint, ich hätte bei ihnen wirklich etwas bewegt, und es war eine richtig schöne positive Dynamik.
Gleich sieben Leute begleiteten mich dann auch von dem Picknick mit zum Protestbildstopp in Reifnitz beim GTI Stein. Der Satz, den ich selbst in Berlin gehört habe, war für diesen bewegenden Vormittag so treffend: Man sollte nie unterschätzen wie viel eine kleine Gruppe an Menschen bewirken kann, die Haltung zeigen. Liebe Kärnter, ich hoffe ihr könnt in Zukunft öfter in einem solch gemütlichen Rahmen nicht nur Gedanken, sondern auch Ideen für künftige Aktionen austauschen. Ich wünsche euch alles, alles Gute!
In Villach hatten wir dann die Möglichkeiten bei ganz lieben Leuten der „Verantwortung Erde“ unterzukommen. Mit Gernot habe ich ebenfalls eine Aufnahme für meinen Podcast auf Tour im Gespräch gemacht. Hinterher gingen die spannenden Diskussionen aber noch lange bei einer ganz fantastischen Gemüsesuppe weiter!
An diesem Abend denke ich kurz daran zurück, dass ich im Burgenland noch 95% der Zeit alleine unterwegs war und wie schön es nun war von solch lieben Menschen umgeben zu sein. Ich bin froh hier zu sein und dass ich eine harte Phase schon überstanden habe. Weil dass, was wir tun ist wichtig. Und es ist unglaublich, was wir bewirkten können, wenn wir wirklich wollen.
Love & Rage
Aliena