17.8. Villach – Oberdrauburg 18.8. Oberdrauburg – Heiligenblut 19.8. Heiligenblut – Fusch 20.8. Fusch – Königsleiten 21.8. Königsleiten – Innsbruck
Vom Fit und Krank sein…
Unglaublich, dass der letzte Blogbeitrag schon so lange her ist und was in Zwischenzeit alles passiert ist. Wenn ich jetzt zurückschaue, dann war es fast vorhersehbar, dass es mich nach dieser Woche körperlich zerlegt…aber im Nachhinein ist man wohl immer schlauer.
17.8. Fangen wir von vorne an ich bin in Villach und fahre von dort mit meinem Bruder, Ole und Alex Richtung Lienz. Es ist echt witzig wie wir immer in zweier Konstellationen redend in zügigem, aber für alle passenden Tempo an der Drau entlangfahren. Ole und ich können irgendwann natürlich nicht mehr widerstehen und springen in den Fluss – kühl ists schon, aber das belebt auch besonders :wink:. Am Nachmittag sitzen wir dann auf dem Biohof Dertnig in Premersdorf, wo ich einen Termin ausgemacht hatte. Ich glaube, auch für die Jungs ist es spannend mit diesen Leuten in so direkten Kontakt zu kommen. Nessa und Christoph erzählen uns wie sie versuchen durch Mulchen den Boden anzureichern, was für Auswirkungen es durch den Klimawandel bereits gibt aber auch, dass es manchmal auf der sozialen Gemeinschaftsebene nicht einfach ist als jemand von „außen“ Zugang zu den Leuten zu bekommen. Als wir am Abend dann noch ein gemeinsames Brot mit Humus essen, bevor Alex den Zug nach Klagenfurt zurücknehmen muss, sitzen wir auf unseren Satteltaschen auf einem Campingplatz und müssen lachen, weil wir so glücklich und zufrieden sind und doch so klein und simpel unterwegs sind neben den dicken Campern mit den großen Vorzelten und luxuriösen Tischen. Manchmal braucht es eben nicht viel.
18.8. Was es aber braucht, ist eine gescheit verschlossene Isomatte um gut zu schlafen. Irgendwie muss ich es geschafft haben den Verschluss aufzudrehen und weil ich im Schlafdelirium wirklich unglaublich faul bin, schlafe ich lieber mehr als die halbe Nacht unglaublich schlecht auf viel zu wenig Luft, anstatt mir einmal die Mühe zu machen die Matte wieder aufzublasen. Mein Bruder, Nico, verlässt Ole und mich dann ebenfalls am nächsten Morgen. Und so fahren wir zu zweit weiter auf einem wirklich romantischen Radweg nach Heiligenblut. Die Berge links und rechts werden immer imposanter und als wir dampfend (tatsächlich haben wir gedampft, was ziemlich cool aussah) die erste Passhöhe erreicht hatten, war der Blick schon oft auf die andere Talseite zu den beeindruckenden Felswänden gewandert. Meine Achillessehne, die bereits am letzten Anreisetag nach Klagenfurt weh getan hat, meldet sich an dem Tag leider wieder verstärkt. Am Abend bin ich froh da zu sein und bei einem kleinen Lagerfeuer (an erlaubter Stelle) und der Mundharmonikamusik von Ole vergesse ich das Problem.
19.8. Die nächste Nacht mit kaum Schlaf. Diesmal war die Isomatte ideal, aber die Temperatur war viel zu kalt und ich in meinem nächsten Schlafdelirium wieder viel zu faul meine Jacke in der Dunkelheit im Zelt zu suchen und anzuziehen. Manchmal macht man es sich selbst eben nicht leicht. Zusätzlich zu den schlaflosen Nächten meldet sich auch meine Achillesferse bereits nach den ersten Minuten fahren. Ich weiß noch nicht ganz, was ich damit anfangen soll. Mein Körper macht eigentlich nie solche komischen Sachen. Aber der Schmerz wird immer stechender und immer schwerer zu ignorieren. Während wir uns die Hochalpenstraße hinaufschieben, fange ich an nur noch mit rechts voll reinzutreten und links quasi nur die Pedalbewegung mitzumachen. Das bringt tatsächlich Entlastung ist aber auch doppelt so anstrengend und als wir beim Hochtor auf 2504m erreichen bin ich froh von meinem Rad zu steigen. Um den Menschenmassen zu entkommen machen wir für unsere Brotzeit trotzdem eine kleine Wanderung auf den Großen Margrötzenkogel. Als wir weiterfahren ist die Landschaft einfach unbeschreiblich. Bis auf die Straße vollkommen unberührte grüne Hänge mit weiß tosenden Bäche, die an steileren Stellen hinunterstürzen. Und kaum hat man sich von diesem Anblick losgerissen und noch höher gekämpft taucht der Gletscher auf. In der Sonne funkelnd macht mich das an manchen Stellen bläuliche Eis und die markante Bergkette ehrfürchtig. Weil eigentlich befinden wir uns eben an einer Grenze zwischen lebendiger und karger Landschaft. In letzterer haben Menschen und andere Tiere eigentlich nicht viel verloren und manchmal glaube ich, vergisst man das allzu schnell einfach dadurch, dass wir mit dem Auto überall so leicht hinkommen. Ich meine, ich habe es selbst immer schön gefunden, wenn meine Eltern uns an irgendwelche Orte wie diesen gefahren haben, aber wenn man mit dem Rad durch so eine Gegend fährt, dann ist der Respekt, den man empfindet nochmal größer.
Die Abfahrt macht unglaublich Spaß. Wir kurven in fast gleichem Tempo wie die Autos die Straße hinunter und ohne ihn sehen oder fragen zu müssen, weiß ich, dass es Ole gleich geht. Unten wartet mein Vater auf uns und noch vollkommen geflasht von den Eindrücken, genießen wir die von ihm mitgebrachten Topfengolatschen.
20.08. Mein Geburtstag wird zu einer echten Herausforderung. Einer von uns Dreien hat ständig etwas weswegen wir stehen bleiben müssen (besonders das Rad von meinem Vater macht Faxen). Ich bin durchgehend am telefonieren mit Kopfhörern – aber die meiste Zeit nicht mal wegen meinem Geburtstag, sondern wegen organisatorischen Dingen (gut das die Kopfhörermikros mittlerweile so gut sind, anders wäre der ganze Aktivismus auf dem Rad sowieso viel schwieriger). Zwischenzeitlich versuche ich dann auch mal Blog zu schreiben, wobei ich dann doch wieder 20 andere Sachen beantworte und am Ende wieder nicht weitergekommen bin. Zumindest meine Achillessehne ist ertragbar, weil ich den Sattel deutlich niedriger gestellt habe. Der Salzachradweg ist im Vergleich zu Kärnten auf einmal richtig touristisch – viel befahren und asphaltiert. An einer Stelle finden Ole und ich aber eine schöne Badestelle, während mein Vater im Radgeschäft ist. Kurz später schlitter ich (übrigens bereits der zweite Sturz auf der Reise) voll über den Asphalt, nachdem der Radweg urplötzlich fast nach hinten abknickt. Rollsplit, die schweren Satteltaschen und die (mit Absicht noch vor der Reise gewechselten) glatten Mäntel tun ihr Restliches. Mit all den Pannen wird es so spät, dass wir beschließen nur den Gerlospass noch hochzufahren und dann dort zu übernachten. Mein Vater radelt Ole und mir davon (vielleicht etwas bedenklich für uns weil er ist eigentlich über 60) und lernt in Königsleiten einen wirklich super lieben Herrn kennen, bei dem wir dann auch gleich schlafen dürfen.
21.8. Bei all dem im Tal an der Salzach entlangfahren war die Verlockung natürlich groß, wenn man schon am Pass ist morgens nochmal wo hochzulaufen. Und so machen wir uns um 5 Uhr auf den Weg zum Brucheck. Während die ersten Sonnenstrahlen, die mit jedem Meter weiter auftauchenden Gletscher anscheinen, laufen wir auf einem traumhaften Pfad auf den kleinen Nebengipfel. Lange ist aber nicht Zeit zum Verweilen, weil der Tag noch einige Programmpunkte hat und so machen wir uns bald wieder an den Abstieg. Beim Radfahren merke ich dann die letzten Tage in den Beinen. Besonders wahrscheinlich durch die größere Anstrengung von dem Tag, wo ich den halben Berg nur mit einem Bein hochgetreten bin. Nach der Abfahrt aus dem Zilltertal trennt sich im Inntal bei Jenbach der Weg von meinem Vater von dem von Ole und mir. Ole und ich sind mittlerweile ein eingespieltes Team und ich bin echt froh, dass er dabei ist. Wenn all die Dinge, die er macht auch noch ich erledigen hätte sollen, dann weiß ich nicht wie ich diese Etappe geschafft hätte. Nach Innsbruck fahren wir auch aufgrund von Zeitdruck in ordentlichem Tempo – immer einer in dem Windschatten vom Anderem. Als wir ankommen ist für mich trotzdem fast keine Zeit mehr vor meinem nächsten Termin mit Leuten von der Klimabohne in Innsbruck, die ich auch für den Podcast interviewe. Während ich also meiner WG kaum Hallo gesagt habe macht Ole uns schnell noch was zu essen. Was ich dann bei der Klimabohne für Leute treffe ist einfach schön und das Projekt ist ebenso spannend, allerdings ist danach noch der Vortrag und ich werde schon wieder von unterschiedlichen Leuten angerufen, sodass ich nicht wirklich zu einer Verschnaufpause komme.
22.8. Wieder habe ich wenig geschlafen und viel zu organisieren. Der Rebel Ride findet dann bei strömendem Regen statt. Aber es macht richtig Spaß, weil tatsächlich richtig Stimmung ist. Wir klingeln nicht nur, sondern singen, rufen und trällern was das Zeug hält. Rainy Rebel Ride – das wars, aber es war fantastisch!
23.8. Am Sonntag dann dasselbe Spiel, ich habe noch Besuch und habe wieder kaum geschlafen und bin am Morgen bereits wieder brunchen mit meiner Mutter. Ich versuche einen kurzen Powernap einzulegen, aber schon klingelt es mich wieder raus zum Picknick…
24.8. -28.8. Am nächsten Tag habe ich ein Gespräch mit jemandem vom Stadtmagazin 6020. Der Montag war eh als Pausetag angedacht, aber danach zerlegt es mich komplett. Das Fieber wirft mich komplett um und ich koch bis zu 40 Grad hoch. Ich lieg im Bett und kann gar nichts machen, schaffe es nicht mal die ganzen Nachrichten zu beantworten. Die nächsten Tage beutelt mich meine Körpertemperatur und spielt seine Spielchen mit mir. Jedes Mal, wenn ich denke, das muss das letzte Mal gewesen sein, dass das Fieber so enorm hoch war, geht es wieder los.
Am dritten Tag bin ich komplett erschöpft und habe das Gefühl, ich halt noch mehr so Phasen echt nicht mehr aus. Ich kann auch nicht mehr im Bett liegen und schlafen, anstatt dessen stecken meine Gedanken im Kopfkarussell fest. Ich habe einen Corona-Test machen lassen und frage mich immer wieder, was jetzt passiert, falls er positiv ist und ob ich es noch nach Vorarlberg schaffe, falls nicht. Mein Riesenglück sind meine zwei Mitbewohner, die mich rund um die Uhr mit Tee, Essen und frisch aufgefüllter Wärmflasche versorgen. Während ich so in meinem Delirium daliege vermischen sich in besseren Phasen Erinnerungen der letzten Wochen mit wirbelnden Gedanken um Zukunftsplanungen während ich in schlechteren Phasen zeitweise einfach nur versuche durchzuhalten und meinen halben Kleiderschrank aufbrauche, weil ich alles vollschwitze – oder mir ist auf einmal wieder eiskalt und ich liege mit Winterjacke, Pulli, langärmligen Shirt und Wärmflasche unter drei Decken und mir wird nicht warm. Am Donnerstag höre ich auf irgendwelche fiebersenkenden Mittel zu nehmen, sondern weiß, dass es das Beste ist, wenn den Rest mein Körper selbst auskuriert. Und am Freitag bin ich tatsächlich ganz fieberfrei. Am Mittag kriege ich zusätzlich die negativen Testergebnisse und so ist mein Bangen darum wie oder ob es weitergeht beendet und ich fahre noch zum Vortrag am selben Abend in Bregenz (nicht mit dem Rad natürlich!).
Ganz besonders danken möchte ich an dieser Stelle Ole, der die Tour weitergefahren ist und die Etappe von Innsbruck nach Bregenz dokumentiert hat. Genau darum geht es ja schließlich auch! Um die Tour mit den Themen in den Bundesländern und den Geschichten der Menschen und nicht um mich als Person! Trotzdem bin ich so froh, dass ich wieder unterwegs sein kann. Ich habe schon so viele wunderschöne Orte gesehen und liebe Menschen kennen gelernt, dass es wirklich ein Traum ist diese Tour bis zum Ende zu fahren. Dafür werde ich alles geben!
Love & Rage
Aliena