Die Welle Liebe in den Augen. Schmerz in den Herzen.
Stimmen und Gitarrenklänge, die Lieder in Gänsehaut verwandeln.
Blickwechsel der Entschlossenheit. Mut zum Aufbruch. Hektik.
Wir sind hier. Für uns alle.
So angreifbar und geerdet auf einem Platz.
Wegen etwas so Ungreifbarem und Abstraktem.
Die Pflicht als wissende*r Bürger*in.
Der Kälte trotzend in tiefer Verbundenheit.
Wir leben und wir lieben. Widerstand aus Herzen.
Besetzung Michaelerplatz
Farben. Strahlend wehen bunte Flaggen mit der schwarzen Sanduhr im Wind. Die weiße Barockfassade hebt sich prachtvoll vor dem blauen Himmel ab. Ich sitze mit ein paar anderen in einem kleinen Kreis auf der anderen Seite des Platzes, als Musik ertönt und eine Tanzperformance bei der Bühne beginnt. Die Töne hallen in sattem Klang über den gesamten Platz und es ist unmöglich nicht in ihren Bann gezogen zu werden. Wir verstummen und schauen zu den, sich skurril und gleichzeitig anmutig bewegenden, RebellInnen. Abwechselnd und ineinander übergehend gleiten ihre Körper über den Platz, um sogleich wieder zu stocken, mit einem Ausdruck im Gesicht, der mich Erschauern lässt.
Sie tanzen das Leid der Klimakrise, sie tanzen die Trauer des Artensterbens und sie tanzen die betörende Schönheit des Lebens. Wie kann man so viel ausdrücken ohne etwas zu sagen. Auf einmal geht die Musik aus. Der Tanz aber geht weiter. In demselben Rhythmus als sei nichts geschehen. Weiter wie bisher und doch so absurd, weil das Verstummen so laut scheint. Der Bogen der Stille spannt sich ins Unerträgliche. Aber warum passiert nichts? Es wirkt als würden die ArtistInnen zu lange stumm tanzen und während ich mich frage, ob das gewollt ist, wenden sich die ersten Menschen ab. Etwas irritiert drehe ich mich wieder zu den anderen um. Und genau in diesem Moment schlägt die Musik ein. Mit voller Wucht. Eine Kehrtwende zu dem langsamen Lied vor der Stille. Ein ganzes Orchester scheint den Platz zum Vibrieren zu bringen. Das schnelle Streichen der Geiger und die fliegenden Bewegungen der Tänzer*innen reißen mich mit. Damit bin ich nicht alleine, denn alle Menschen in meiner Umgebung sind stehen geblieben und schauen gebannt zur Bühne des Spektakels.
Der ganze Platz ist von der einen in die nächste Sekunde in einen Ort verwandelt worden, der vor Lebendigkeit und Kraft nur so strotzt. Ein Blickwechsel mit den anderen genügt und wir laufen drauf los. Quer über den Platz. Hinein zu den immer mehr werdenden Tanzenden. Ich weiß nicht, was ich da tue, aber ich bewege mich zu der Klangfülle und lache. Umspringe mit einer anderen Rebellin einen älteren Herrn im Rollstuhl, der mit seinen Händen mittanzt.
Und so überraschend wie der Musikwandel gekommen ist, so plötzlich ertönt ein Gong. Ohne die anderen sehen zu müssen oder davon gewusst zu haben, weiß ich, was ich tun muss und lasse mich zu Boden fallen. Die Augen geöffnet und auf einen Punkt fixiert, liege ich auf dem kühlen Steinboden, während mein Herz noch wild pocht. Ich sehe die anderen um mich herum liegen, kann die hunderte Blicke auf unseren Körpern fast spüren. Was in aller Welt ist da gerade passiert – noch nie habe ich so eine Dynamik erlebt. Dieser Tanz hat unsere Bewegung verkörpert und ich weiß schon jetzt, dass ich diesen Moment nie vergessen werde.
Liebe und Mut
Aliena