Offener Brief von Martha an Bürgermeister Michael Ludwig

von Juni 7, 2021Statements

Sehr geehrter Bürgermeister Michael Ludwig,

ich schreibe Ihnen, weil ich glaube, dass Ihnen das Wohlbefinden der Wiener:innen wirklich ein Anliegen ist. Ihre Stadtregierung ist gerade dabei, ohne böse Absichten einen fatalen verkehrsplanerischen Fehler zu begehen, der die Lebensqualität der Bevölkerung auf Jahrzehnte verschlechtern wird.

Dieser Fehler besteht im Bau von Stadtstraße, S1 und Lobautunnel. Die Absicht hinter dem Projekt ist klar – der Verkehr soll aus der Stadt ins Umland verlagert werden, damit die Menschen entlastet werden. In der Realität – und das zeigen inzwischen zahlreiche wissenschaftliche Studien, von denen ich einige im Anhang als Volltext anführe – führt der Bau neuer Straßen aber zu mehr Verkehr, und damit zu mehr Schadstoffen, mehr Lärm und mehr klimaschädlichem CO2.

London ist ein warnendes Beispiel. In den 1980er-Jahren wurde um die Metropole ein Autobahnring vollendet, die M25. Auch hier war das Ziel, den Verkehr aus der Stadt hinaus zu lenken, und die Menschen zu entlasten. Passiert ist das genaue Gegenteil: Die M25 wurde binnen weniger Jahre ein Stau-Magnet, und auf den eigentlich zu entlastenden Straßen in der Stadt waren bald mehr Autos unterwegs als zuvor. Lag es an einer allgemeinen Verkehrs-Zunahme? Nein! Andere Städte, die keinen massiven Straßenausbau betrieben, erlebten keine derartige Verkehrslawine.
Untersuchungen aus den Vereinigten Staaten zeigen, dass 10% mehr Straßen auch zu 10% mehr Verkehr führen. Je „bequemer“ das Autofahren gemacht wird, desto eher steigen Menschen von Öffis, Rad und Fahrgemeinschaft auf das eigene Auto um.

Wollen wir im 21. Jahrhundert, inmitten der Klimakrise, wirklich einen solchen Anreiz schaffen?
Dazu kommt, dass die Trassenführung der Lobau-Autobahn, insbesondere des Lobautunnels, schweren Schaden am Nationalpark Donau-Auen anrichten kann. Es sind in der Vergangenheit bei Tunnel- und Straßenprojekten wiederholt ungeahnte Folgen für Grundwasser und Geologie aufgetreten. Ein Eingriff in die empfindlichen Ökosysteme im Nationalpark könnte fatale Folgen haben.
Und es ist blanker Irrsinn, den Tunnel mitten durch den ölverseuchten Grund unter dem Tanklager Lobau zu treiben – die Altlast konnte erst vor knapp über 10 Jahren mittels Trennwänden gesichert werden. Gelangt dieses Öl ins Wasser, dann erreicht es stromabwärts das Wasserwerk Lobau, eine wichtige Sekundärquelle für das Wiener Leitungswasser in Zeiten von Dürre oder Wartungsarbeiten an der Hochquell-Wasserleitung.

Seit 31. Mai befinde ich mich gegen dieses Wahnsinnsprojekt und anderer Ökozide im unbefristeten Hungerstreik, weil ich mir nicht anders zu helfen weiß – alle bisherigen Versuche, Politiker:innen die wissenschaftlichen Fakten näher zu bringen, sind gescheitert. Ich fordere Sie auf, die Wissenschaft auch in der Verkehrsplanung ernst zu nehmen, und den Menschen in dieser Stadt die Wahrheit zu sagen – S1 und Lobautunnel bringen (siehe TU Wien-Studie) keine dauerhafte Verkehrsentlastung, und werden in der Zukunft nur noch mehr Verkehr in die Stadt holen.

Für eine Stadt der Menschen, nicht der Blechlawinen – und eine intakte Natur darum herum.
Martha Krumpeck

Zu finden bin ich, solange es meine Kräfte erlauben, vom späten Vormittag bis zur Dämmerung am Heldenplatz, in der Wiese gegenüber dem Denkmal der Exekutive vor dem Äußeren Burgtor. Für ein Gespräch über die wissenschaftlichen Fakten stehe ich gerne zur Verfügung, verweise in Detailfragen aber lieber an ausgewiesene Expert:innen.

Die Datenlage ist eindeutig:
https://doi.org/10.1007/BF00166218
https://doi.org/10.1257/aer.101.6.2616
https://doi.org/10.1016/j.jue.2014.02.002
https://doi.org/10.1080/01621459.2014.956871
https://www.eco-logica.co.uk/pdf/wtpp17.3.pdf

Solidarität mit der letzten Generation – Die versuchte Kriminalisierung friedlicher Proteste ist ein Angriff auf die demokratischen Grundwerte der Republik Österreich

Solidarität mit der letzten Generation – Die versuchte Kriminalisierung friedlicher Proteste ist ein Angriff auf die demokratischen Grundwerte der Republik Österreich

Wien, Österreich – Extinction Rebellion Austria äußert tiefe Besorgnis und Schock über die jüngsten Schritte gegen die Letzte Generation in Österreich. Die Ermittlungen wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung steht im direkten Widerspruch zu demokratischen...

Positionierung zur XR Global Nahost Solidaritätserklärung

Positionierung zur XR Global Nahost Solidaritätserklärung

Wir sehen uns durch das kürzlich veröffentlichte Statment auf den Kanälen von XR global verpflichtet, uns klar zu positionieren: Wir sind erschüttert durch den Terror der Hamas und verurteilen diesen. Wir stellen uns gegen jeden Antisemitismus und distanzieren uns daher ausdrücklich von Aussagen, die den Terror vom 7. Oktober verharmlosen, Israel sein Existenzrecht absprechen oder zu Antisemitismus beitragen.

Wir solidarisieren uns mit den Opfern der Hamas in Israel und ihren Angehörigen sowie mit den Opfern des wachsenden Antisemitismus weltweit und insbesondere in Österreich, den wir mit Sorge beobachten.

Weitere Artikel

Hungerstreik am Heldenplatz: Unterstützt Martha und Howey Ou!

In Lausanne haben Howey Ou und weitere AktivistInnen am 21.5. einen internationalen. Hungerstreik gegen Ökozide begonnen. Unsere Aktivistin Martha hat sich diesem Streik am 31.5. angeschlossen. Auch hier geht die Naturzerstörung ungebremst weiter. Die Stadt Wien will mit dem Lobau-Tunnel den Ausbau des fossilen Verkehrs weiter vorantreiben und...

‚Physics is the only party here not negotiating’– XR Newsroom zur COP26 am 6.11.2021

Beim unserem zweiten Newsroom zur COP26 berichtete Mira Kapfinger von System Change Not Climate Change direkt aus Glasgow – u.a. zu den Aktionen, die Stay Grounded am 6. November dort und an vielen anderen Flughäfen durchgeführt hat. Sie ging auf den Gegengipfel der Klimagerechtigkeitsbewegung ein und erzählte auch davon, wie sie selbst Glasgow...

Keine Betriebsgenehmigung für die Gasindustrie!

Manuskript der Rede, die Heinz Wittenbrink von Extinction Rebellion Austria am 25.3. zum Auftakt der Proteste gegen die European Gas Conference gehalten hat. Im Anhang einige aktuelle Literaturangaben. Keine Branche wie die anderen Wir stehen hier in der Nähe der OMV, und wir protestieren gegen eine Konferenz, bei der die OMV ein Gastgeber ist –...

„Hört auf, die Zukunft zu verbauen​​​​​​​!“ Extinction Rebellion blockiert erneut Vorarlberger Landtag vor Herbstsitzung 

Diese Seite bietet eine detaillierte Berichterstattung über die Aktion von Extinction Rebellion Österreich am 4. Oktober vor dem Vorarlberger Landtag. Die Aktivist:innen erhöhen den Druck auf die Landesregierung, das fossile Megaprojekt Tunnelspinne zu stoppen, und fordern ein Umdenken in der Mobilitätspolitik. Lesen Sie Zeugenaussagen, die Forderungen von XR und die Unterstützung von Expert:innen für eine nachhaltige Zukunft.

EILMELDUNG: Protest in Feldkirch wächst – Großeltern leisten zivilen Ungehorsam für Kinder und Enkel

Diese Seite informiert über den mutigen Protest der Großeltern und Eltern in Feldkirch, die sich, unterstützt von Extinction Rebellion Vorarlberg, gegen das Projekt „Tunnelspinne“ und für den Klimaschutz einsetzen. Barbara Feurstein, eine der protestierenden Großmütter, betont die Dringlichkeit des globalen Klimanotstands und die Notwendigkeit, alle möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um die weitere Erwärmung unseres Planeten zu stoppen. Die Seite bietet Informationen darüber, wie Sie den Protest unterstützen und sich über die Initiative „Mobilitätswende-jetzt“ informieren können.

Wir müssen sofort handeln! – Teil 2 des 6. Berichts des Weltklimarats

"Die kumulierten wissenschaftlichen Beweise sind eindeutig: Der Klimawandel ist eine Bedrohung für das menschliche Wohlbefinden und die Gesundheit des Planeten. Jede weitere Verzögerung bei konzertierten, vorausschauenden globalen Maßnahmen zur Anpassung und Abschwächung wird ein kurzes und sich schnell schließendes Zeitfenster verpassen, um eine...

Brennpunkt der Realitätsverweigerung in der Klimapolitik – XR-Newsroom zur COP 26 am 6.11.2021

Am 6.11. fand der erste XR Newsroom zur COP26 in Glasgow statt. In der Ankündigung des Events haben wir geschrieben, dass die Konferenz wahrscheinlich als Fiasko enden wird. Der bisherige Verlauf bestätigt diese Befürchtung. Die Mächtigen der Welt verspielen eine der letzten Chancen, eine planetare Katastrophe zu verbinden. Wir dokumentieren hier...

Drama im Festspielhaus: Extinction Rebellion stört Event und verleiht Preis für Täuschung der Öffentlichkeit

Diese Seite berichtet über eine Aktion von Extinction Rebellion, bei der das e5-Event im Bregenzer Festspielhaus gestört wurde, um auf das Thema Greenwashing und das umstrittene Bauvorhaben „Tunnelspinne“ in Feldkirch aufmerksam zu machen. Mit einer satirischen Preisverleihung kritisiert die Bewegung die Stadt Feldkirch für ihre widersprüchliche Haltung in Bezug auf Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung. Die Seite enthält Details zur Aktion, Zitate von Aktivisten und Hintergrundinformationen zur e5-Zertifizierung und dem Projekt „Tunnelspinne“.

Extinction Rebellion setzt friedlichen Protest gegen Tunnelspinne fort

Diese Seite informiert über die friedlichen Protestaktionen von Extinction Rebellion Vorarlberg gegen das umstrittene Tunnelspinne-Projekt. Lesen Sie mehr über die Beweggründe der Aktivist:innen, ihre Forderungen an die Politik und wie Sie sich beteiligen können. Finden Sie Bildmaterial und Pressekontakte für weitere Informationen und Berichterstattung.

Kontrollverlust: Der Sturm BORis und das Versagen der Politik

Die Klimakatastrophe kommt nicht, sie ist da. Wir erleben sie in unserem Land. Es gibt kein Zurück in die Zeit davor. Aber die Politik kann sich ihr stellen und alles dafür unternehmen, dass sie nicht noch schlimmer wird. Dazu müssen Politik und Medien damit aufhören, die Katastrophe zu verniedlichen. Das ist der Kern der ersten Forderung von...