Am 6.11. fand der erste XR Newsroom zur COP26 in Glasgow statt. In der Ankündigung des Events haben wir geschrieben, dass die Konferenz wahrscheinlich als Fiasko enden wird. Der bisherige Verlauf bestätigt diese Befürchtung. Die Mächtigen der Welt verspielen eine der letzten Chancen, eine planetare Katastrophe zu verbinden.
Wir dokumentieren hier den ersten Newsroom mit einer Video-Aufzeichnung, einer Kurzfassung der Einleitung zum Hintergrund des Events und einer schriftlichen Version des Statements unseres Gastes Reinhard Steurer. (Achtung: Work in Progress. Texte noch nicht vollständig redigiert, Angaben noch nicht vollständig überprüft!)
Aufzeichnung des NewsRoom
Material: Hintergrund und Beginn der COP
COP heißt einfach Conference of the Parties. Parties, also Beteiligte sind die Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC). Diese Konferenzen finden jährlich statt. Im letzten Jahr ist die Konferenz wegen Corona ausgefallen. Auf der COP 26 findet also das statt, was eigentlich auf der COP 25 hätte stattfinden sollen. Sie hat eine besondere Bedeutung: Das Pariser Abkommen legt fest, dass die beteiligten Staaten alle fünf Jahre ihre eigenen Emissionsziele angeben sollen. Sie sollen sie dabei jeweils an das anpassen, was man über die Entwicklung der globalen Erhitzung weiß, und auch an das, was die anderen Parteien machen. Es handelt sich um einen Abstimmungsprozess – positiv formuliert um einen Wettlauf darum, wer es am besten macht, negativ formuliert darum, dass die Hauptverschmutzer alle aufeinander warten und sich auch gegenseitig blockieren. So oder so handelt es sich um ein entscheidendes Datum, um zu erkennen, was vermutlich gemacht wird oder wenigstens gemacht werden könnte, weil sich die Parteien alle fünf Jahre wenigstens committen müssen – auch wenn diese Commitments nicht bindend sind.
Production Gap Report
WMO-Bulletin 17
Emissions Gap Report 2021
Kurz vor der Konferenz am 26 Oktober erschien der Emissions Gap Report 2021 des UN Environment Programme mit dem bezeichnenden Titel The heat is On. Die Herausgeber, also die Vereinten Nationen stellen eindeutig fest: Die Welt ist auf dem Weg zum 2,7 Grad gegen Ende des Jahrhunderts also weit jenseits des Pariser Abkommens.
Der Emissions gap report 2021 zeigt, dass die neuen nationalen Klimazusagen in Verbindung mit anderen Minderungsmassnahmen die Welt auf den Weg zu einem globalen Temperaturanstieg von 2,7 °C bis zum Ende des Jahrhunderts bringen.
Emissions Gap Report 2021 Der Vereinten Nationen
Diesel 2,7 Grad sind der Durchschnitt eines breiten Kanals. Sie können bedeuten, dass es durchaus heißer als 3 Grad wird. Wie erwähnt sind solche Dinge wie Tipping Points überhaupt nicht erwähnt, es handelt sich also um eine sehr vorsichtige konservative Prognose. Und hier finden sich jetzt genau dieselben Kurven wieder, die wir eben schon gesehen haben. Hier geht es nicht um die Produktion der fossil fuels sondern um die Menge der CO2 äquivalente, also aller Treibhausgase zusammen, die in die Atmosphäre gepumpt werden.
Schlusserklärung der G20
Dann kam noch einmal kurz vor der Konferenz die Schlusserklärung der G20, die enttäuschend war, vorher gab es im Vorfeld der Konferenz und angesichts der vielen Unglücke in diesem Jahr und es letzten IP zZ Berichts die Hoffnung, dass doch ein gewisses Maß an Einsicht Herschel, und und nach Corona die Mittel gezielter für die Bekämpfung der globalen Erhitzung eingesetzt werden. In dieser Erklärung wird ganz vorsichtig gesagt, dass die G20 Nationen anerkennen, dass 1,5 Grad besser als 2 Grad wären. Es gibt auch schon noch ein commitment auf die Pariser Ziele, aber die Verpflichtung ist so, dass ich daraus überhaupt keine Verpflichtung der Rente ergibt. Hier muss man hier muss man sagen, dass China Russland und Saudi-Arabien, also Länder, deren Staatschef persönlich zum Teil gar nicht anwesend waren, die Haupt blockiere. Wobei die Politik der USA, wenn man sie im Ergebnis sieht, ebenfalls extrem problematisch ist.
Das einzige Land, das im Climate Transparency Report als halbwegs ausreichend beurteilt wird, ist ironischerweise das konservativ regierte Großbritannien. Das passt vielleicht zu der These von Reinhard Steurer, dass der Diskurs zur Klimapolitik und die Aktionen von Klimabewegungen für die Politik eine größere Rolle spielen, als welche Partei gerade an der Regierung ist.
Es gibt eine ganze Reihe von Beurteilungen dieser Erklärung. Ein Experte, der sich wissenschaftlich mit der G20 beschäftigt, sagt, dass ich aus diesem verpflichtungen überhaupt nichts entnehmen lässt, außer aus einer, bei der es um Kohle geht,. Selbst das Statement, armen Nationen jeweils 100 Milliarden im Jahr zur Verfügung zu stellen, was vom Pariser Abkommen gefordert wird, ist so windelweich, dass man verzweifeln muss, vor allem angesichts dessen, was für andere Dinge ausgegeben wird insbesondere zur Förderung von fossilen Brennstoffen.
State Of Climate 2021
Am 31.10 erschien unmittelbar vor der Konferenz der Bericht State of Climate in 2021: Extreme Events and Major Impacts. Darin stellt die UNFCC dar, wie sich das Klima bis zu diesem Jahr insgesamt entwickelt hat. Es wird unter anderem auf die Rekordtemperaturen vieler Jahre seit 2000 und auf den immer dramatischer werdenden Anstieg des Meeresspiegels verwiesen.
Laut der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) haben die Rekordkonzentrationen von Treibhausgasen in der Atmosphäre und die damit verbundene akkumulierte Wärme den Planeten in ein unbekanntes Terrain katapultiert, mit weitreichenden Folgen für heutige und zukünftige Generationen.
Die letzten sieben Jahre sind auf dem Weg, die sieben wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen zu werden, so der vorläufige WMO-Bericht zum Zustand des Weltklimas 2021, der auf den Daten der ersten neun Monate des Jahres 2021 beruht.
Der globale Meeresspiegelanstieg hat sich seit 2013 beschleunigt und erreicht 2021 einen neuen Höchststand, Während sich die Erwärmung der Ozeane und die Versauerung der Meere fortsetzen.
State of Climate in 2021: Extreme Events and Major Impacts | UNFCCC
Pledge To End Deforestation
Over 100 leaders make landmark pledge to end deforestation at COP26 – GOV.UK
Methane Reduction Pledge
Homepage | Global Methane Pledge
Statements von XR UK
https://extinctionrebellion.uk/2021/09/27/extinction-rebellion-uk-position-on-cop26/
Artikel zum Start der COP
Leaders confess climate sins at COP26 – POLITICO
Klimakonferenz COP 26: Übertünchen statt handeln – Nora Laufer – derStandard.at › Diskurs
Statement Reinhard Steurer zum Start der COP 26
Nichts hat mich bisher überrascht, weil meine Erwartungen voll erfüllt worden sind. Zynischerweise muss ich das so formulieren. Ich habe mir nicht viel erwartet von dieser COP, nur das eine, dass sie einmal mehr der Brennpunkt der Realitätsverweigerung in der Klimapolitik sein wird. Und genau das sehen wir seit ein paar Tagen.
Wie sieht diese Realitätsverweigerung aus? Ich umschreibe das so, dass die politische Realität so weit entfernt ist von der physischen oder klimawissenschaftlichen Realität, dass da wirklich zwei Welten existieren, die nicht mehr viel miteinander kommunizieren. Und Optimismus oder irgendein Fortschrittsjubel sind da wirklich nicht mehr angebracht. Im Gegenteil: Die COPs demonstrieren vielmehr, wie weit entkoppelt das politische Geschehen von dem ist, was klimatisch tatsächlich passiert.
Realitätsverweigerung 1: Illusionen über die 1,5°
Am deutlichsten wird diese Realitätsverweigerung an ein paar Brennpunkten, oder Schlüsselentscheidungen, wie z.B. vor ein paar Jahren, als das IPCC aufgefordert worden ist, einen Bericht zum Unterschied zwischen 1,5 und 2 Grad Erhitzung zu erarbeiten. Wobei eigentlich das Zeitfenster für 1,5 Grad schon zugegangen ist. Es war eigentlich schon klar, dass 1,5 Grad ganz schwer erreichbar sind. Da kommt die Staatengemeinschaft auf die Idee: Jetzt wollen wir den Unterschied zwischen zwischen 1,5 und 2 Grad. Das ist ein historisches Beispiel. Das ist mittlerweile schon eine Zeit her.
Realitätsverweigerung 2: Die NDCs
Die zweite Geschichte, an der man sieht, wie realitätsfern der Paris-Prozess und somit auch die aktuelle COP ist, sind die NDCs. Da wurde ins Paris-Abkommen ein Temperatur-Ziel von 1,5° bis 2° geschrieben, ohne irgendeinen Mechanismus, der das gewährleisten, geschweige denn garantieren könnte. Immerhin sind wir bei den Zielsetzungen mittlerweile von 3° in Richtung 2,7° oder 2,4°, manche sagen: in Richtung 2° hinuntergekommen. Aber das sind Zielsetzungen, da stehen noch keine Maßnahmen dahinter. Alle gezeigten Grafiken aus den UN-Berichten zeigen eher, wie schwierig es sein wird, die Zielsetzungen zu erreichen. Es wird nämlich nicht daran gedacht, die fossile Energieförderung anzupassen oder fossile Energien im Boden zu lassen, im Gegenteil! Da bleibt die Förderquote eher stabil, bzw. dürfte sie leicht anwachsen. Ganz aktuell sehe ich am meisten Realitätsverweigerung im Versuch, Emissionshandel global zu etablieren.
Das Waldschutzabkommen
Also das ist ganz krass, und das Waldschutz-Abkommen ist dann das letzte passende Steinchen dieser Realitätsverweigerung. Das ist gut und recht, kann man sagen, aber bitte: In 9 Jahren ist das Zeitfenster für 2 Grad dann schon langsam zu. Wenn so ein Abkommen, dann bitte mit einem In-Kraft-Treten im nächsten oder übernächsten Jahr und nicht 2030! Also da sieht man, glaube ich, wirklich deutlich, dass den politisch Verantwortlichen die Dramatik und Dringlichkeit und vor allem die zeitliche Dringlichkeit nicht annähernd klar ist.
Die Klimadissonanz
Und da stellt sich dann natürlich die Frage: wie ist das möglich? Dass Leute, die diese Dinge verhandeln, soweit entkoppelt sind, manche würden sagen von der Realität, die wirklich alarmierend und dramatisch ist, manche würden sagen alarmistisch, aber es ist alarmierend. Und da kommt dann jetzt meine Klimadissonanztheorie ins Spiel, der ich seit zwei Jahren auf der Spur bin, und die ich versuche zu Papier zu bringen. Meine Erklärung dafür, dass die Politik so realitätsfern funktioniert, lautet so: Wir haben über die letzten 30 Jahre gelernt, das Problem Klimakrise psychisch zu lösen, weil die physische Lösung, sprich: weniger fossile Energie zu verbrennen, so verdammt schwierig war. Wir haben das lösen müssen. Die kognitive Dissonanz, fossile Energie zu verbrennen auf der einen Seite, und mit dem Bewusstsein der Klimakrise zu leben auf der anderen Seite, hätten wir nicht ausgehalten. Wir haben eine Lösung gebraucht. Die Lösung war nicht, auf fossile Energie zu verzichten, sondern die Lösung war psychischer Art. Und die hat dann eben so ausgeschaut, so meine Theorie, dass wir gelernt haben, das Problem zu normalisieren, uns daran zu gewöhnen, zu verharmlosen, zum Teil zu verleugnen – also nicht nur das Problem an sich zu verleugnen im Sinne von „das gibt es nicht“, sondern die Folgen zu verleugnen, die Lösungen, die Lösungsmöglichkeit zu verleugnen bis hin dazu Scheinklimaschutz zu betreiben, und die COPs sind in meinen Augen die Kumulation des Scheinklimaschutzes. Also wir erwecken damit den Eindruck, dass wir angemessen auf das Problem reagieren, indem wir neue Ziele verkünden, weil wir Schutzprogramme in neun Jahren ankündigen, und uns damit wir gut fühlen. Aber in Wirklichkeit trägt das im Moment fast nichts zur Problemlösung bei. Denn die momentanen Politiken, die bleiben ziemlich konstant in Richtung 3° unterwegs.
Beschwörungs-Governance
Und dann kommt der Artikel ins Spiel, den ich hoch den ich heute gepostet habe: Wir haben es mit so einer Art Beschwörungs-Governance zu tun. Eine Form des Regierens, die durch vielfältige Wiederholungen der Zielsetzungen und der Vorhaben hofft, die Realität dann irgendwie schon in die richtige Richtung zu verändern, mantraartig. Bisher hat es nur nicht funktioniert. Bisher hat nur funktioniert, uns zu beruhigen. Die große Mehrheit ist ganz zufrieden mit dem. Die hat den Eindruck, dass sich die politischen Eliten um das Problem kümmern, und eine Lösung unterwegs ist, Diejenigen, die sich besser auskennen, sagen: Das Gegenteil ist der Fall. Also: Der Paris-Prozess ist nach wie vor Teil des Problems und nicht Teil der Lösung. Und diese COPs sind sehr geschickt darin, das anders darzustellen, es als Teil der Lösung darzustellen, was nicht der Fall ist. Da kommen dann Klimaaktivist:innen und Wissenschaftler:innen ins Spiel, die regelmäßig das darauf hinweisen, dass das viel zu wenig ist dass es viel zu spät ist – dass auch aktuell wieder alles was verkündet ist, bei weitem nicht ausreicht, um angemessen auf das Problem zu reagieren.
Wir haben keine Zeit mehr!
Also im Moment sind wir nach wie vor unterwegs in eine Katastrophe, und das ist der nächste Punkt der Realitätsverweigerung. Wir haben nicht Zeit, um 5 Jahre zu warten – das sind die nationalen Ziele. Wir haben nicht Zeit, um 5 Jahre zu warten für die formalen Reviews – der nächste ist für 2023 angekündigt, dann erst wieder für 2028. Also wer glaubt, das ist irgendwie ein angemessenes Zeitfenster, der hat wiederum die Klimakrise als Realität verleugnet, verdrängt, beiseite geschoben, was auch immer, sprich: das Problem psychisch gelöst. Und aus dieser psychologischen Lösung müssen wir ‚rauskommen, um eine physische zu ermöglichen. Und das funktioniert meiner Meinung nach nur indem wir es ansprechen, was da passiert, indem wir es offen legen und sagen: wenn wir so weitermachen, dann wird es wirklich katastrophal.