Gestern hat der Klimarat der Bürgerinnen und Bürger der Bundesregierung seine Empfehlungen übergeben. Sie wurden in einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Empfehlungen sind in einem Bericht (PDF) enthalten, der auch ausführlich über die Arbeit des Klimarats informiert.
Wir haben bei Extinction Rebellion Österreich in der Gruppe #XRgoesKlimarat und im Media & Messaging Team über den Bericht diskutiert. Hier eine – vorläufige – Zusammenfassung von Punkten, die wir alle ähnlich gesehen haben. Die Diskussion des Berichts hat erst begonnen – wir möchten sie so öffentlich wie möglich führen. Wir werden uns dabei eng mit anderen Teilen der Klimagerechtigkeitsbewegung abstimmen.
Der Klimarat der Bürgerinnen und Bürger war ein echter Klimarat
Bürger:innenräte (Citizens’ Assemblies), die Maßnahmen zur Herstellung von Klimagerechtigkeit und einer sofortigen Dekarbonisierung entwickeln, sind eine der drei Forderungen von XR. Nur durch neue demokratische Instrumente kann die radikale umfassende Wende eingeleitet werden, die wir brauchen, damit der Planet bewohnbar bleibt. Das Instrument der Bürger:innenversammlung wurde in einigen Ländern bereits erfolgreich verwendet, um in existentiellen Fragen einen gesellschaftlichen Konsens zu finden und politischen Stillstand zu beenden.
Der österreichische Klimarat der Bürgerinnen und Bürger wurde in den wesentlichen Elementen genauso durchgeführt, wie es XR seit 2019 gefordert hat: Die Mitglieder wurden nach dem Zufallsprinzip ermittelt (gelost), sie entsprechen nach demografischen Kriterien einem Querschnitt der Bevölkerung, sie wurden umfassend wissenschaftlich informiert und suchen Feedback von Experten und der Bevölkerung, und sie erarbeiteten Empfehlungen in einem Prozess des systemischen Konsensierens, so dass entweder alle Mitglieder oder eine sehr große Mehrheit hinter den Ergebnissen steht. Dass eine solche Bürger:innenversammlung stattfinden kann, ist ein großer Schritt und Erfolg der österreichischen Klimabewegung.
Die Ergebnisse müssen deshalb umgesetzt werden
Die Empfehlungen des Klimarats wurden fast alle einstimmig ausgesprochen. Deshalb müssen sie als Vorgaben behandelt werden, die der Politik von einem repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung gegeben werden. Sie zeigen, was die Bevölkerung will und wozu sie bereit ist. Wenn sie umgesetzt werden, wird damit die dringend nötige Transformation hin zu einer ökologisch verantwortlichen Gesellschaft eingeleitet – auch wenn die vorgeschlagenen Maßnahmen allein sicher noch nicht dazu ausreichen. Eine informierte Vertretung der Bevölkerung will einstimmig Maßnahmen, die seit Jahrzehnten blockiert wurden, wie:
– Recht auf Klimaschutz,
– sozial gerechte CO2-Bepreisung,
– drastische Reduktion des Individualverkehrs,
– Verbot der Verschwendung von Lebensmitteln,
– Versiegelungsverbot.
Die Ergebnisse haben eine Autorität, die weit größer ist als die Voten anderer Gremien. Es ist deshalb nicht Sache der Regierung oder des Nationalrats, allein darüber zu entscheiden, ob sie umgesetzt werden. Wo sich Regierung und Parlament weigern, den Empfehlungen zu folgen, ist ein Konsens mit dem Klimarat, einer weiteren Bürger:innenversammlung oder aber – etwa durch ein Referendum nach sorgfältiger Information über die Optionen – mit der Bevölkerung insgesamt herzustellen.
Der Klimarat zeigt, was Bürger:innenräte können
Der Klimarat der Bürgerinnen und Bürger zeigt, wie leistungsfähig Bürgerinnenversammlungen sein können. Betroffene wurden in die Entscheidungsfindung weitestmöglich einbezogen, sie entschieden aufgrund von wissenschaftlich gesicherten Informationen, und sie einigten sich konsensual auf Maßnahmen und Prioritäten. Deutlich wird: Bürger:innenversammlungen können Entscheidungen so schnell und einstimmig treffen, wie es angesichts der multiplen ökologischen Krisen dringend nötig ist. Diese Vorteile dürfen nicht dadurch verspielt werden, dass man sie Gremien unterordnet, die seit Jahrzehnten nicht dazu in der Lage waren, nötige Maßnahmen zu beschließen. Das gilt insbesondere in Österreich, in dem es nach wie vor kein Klimaschutzgesetz gibt und in dem die Emissionen über Jahrzehnte nicht gesunken sind. Auch wenn sie – so wenig wie andere Institutionen – kein Allheilmittel sind, müssen Bürger:innenräte zu einem zentralen Bestandteil des demokratischen Systems werden.
Weitere Bürger:innenräte sind nötig – mit weitergehendem Auftrag und einer rechtlich gesicherten Verbindlichkeit
Für uns ist der Klimarat der Bürgerinnen und Bürger der Anfang einer Veränderung des demokratischen Systems. Weitere Bürger:innenräte sind nötig. Sie müssen sich an den für Österreich verbindlichen Zielen des Pariser Abkommens und den sich daraus ergebenden CO2-Budgets und an der Forderung nach Klimagerechtigkeit auf nationaler und internationaler Ebene orientieren. Sie müssen das vorhandene Wirtschafts- und Finanzsystem und die Forderung nach Wirtschaftswachstum in Frage stellen können. Sie benötigen – so wie das etwa in Irland der Fall ist – eine Verankerung im System der demokratischen Institutionen und damit Festlegungen zur Verbindlichkeit ihrer Beschlüsse und den darauf folgenden Schritten. Hier hat Österreich – nicht zuletzt aufgrund des jetzt durchgeführten Klimarats der Bürgerinnen und Bürger – die Chance, auch international einen wesentlichen Beitrag zur Klimagerechtigkeit zu leisten.