Die Rückmeldung des Klimaschutzministeriums zu den Empfehlungen des österreichischen Klimarats zeigt, dass die Klimakatastrophe mit den etablierten Instrumenten von Politik und Verwaltung nicht abgewendet werden kann. Einen demokratischen Ausweg aus der Sackgasse des im System “Machbaren” bieten Bürger:innenräte mit Kompetenzen, wie sie Extinction Rebellion fordert.
Das Bundesministerium für Klimaschutz hat am 26.11.2022 seine Rückmeldung zu den Empfehlungen des Österreichischen Klimarats zur Klimaneutralität bis 2040 veröffentlicht (BMK, 2022). Andere Ministerien beteiligten sich an der Vorbereitung der Rückmeldung. Die Regierung will sich mit den Vorschlägen weiter beschäftigen. Die Rückmeldung zeigt aber deutlich, wie die Regierung mit den Vorschlägen des Klimarats umgeht und was von ihnen sie umsetzen will.
Die Antworten zeigen, dass die Regierung insgesamt die fortschreitende Klimakatastrophe nicht als den Notstand behandelt, den sie darstellt. Dementsprechend werden die Vorschläge des Klimarats zwar fast nie grundsätzlich verworfen, aber ihre Verwirklichung wird immer nur in kleinen Schritten ohne die der Klimakatastrophe angemessenen transformativen Schritte zugesagt.
So wird bei den klimaschädlichen Subventionen die längst fällige und vom Klimarat geforderte Auflistung weiter aufgeschoben. Die Antwort zeigt die Verlegenheit des BMK: Es kann sich zu den Klimaschutz-freundlichen Förderungen wesentlich besser äußern als zu den fossilen Subventionen.
Bei der CO2-Bepreisung wird vor allem auf die aktuelle Energiekrise und die jetzt geleisteten Unterstützungszahlen hingewiesen. Durch sie ist aber die CO2-Bepreisung de facto wirkungslos, fossiler Energieverbrauch wird genauso subventioniert wie regenerativer.
Bei der Gestaltung der Energiepreise klingt die Antwort sehr stark nach dem üblichen Motto: “Der freie Markt regelt das schon.” Jedoch ist es offensichtlich, dass diese aktuellen marktwirtschaftlichen Prinzipien nicht ausreichen und somit eine wichtige Ursache der Klimakrise sind.
Bei der Flächenversiegelung ist die Forderung des Klimarats bei weitem nicht so vorsichtig wie die Maßnahmen, die als Erfüllung der Forderung genannt werden. Die weitere Versiegelung wird nicht grundsätzlich in Frage gestellt.
Auf die geforderte Gemeinwohlbilanzierung im Finanzbereich wird nicht eingegangen. Bei der Bürgerbeteiligung bei der räumlichen Energieplanung wird in der Rückmeldung die Möglichkeit eingeräumt, “Stellungnahmen” abzugeben.
Die vom Klimarat vorgeschlagene Klimakommission wird auf einen wissenschaftlichen Beirat geschrumpft, ohne Verknüpfung mit Bürgerbeteiligungsprozessen. Der Einfluss dieses Beirates auf die wichtigen Entscheidungsträger:innen dürfte gering ausfallen.
Bei der Forderung nach dem Verbot klimaschädlicher Werbung wird auf das Wettbewerbsrecht hingewiesen. Das Ziel der Reduzierung des Fleischkonsums um zwei Drittel wird nicht aufgegriffen. Auch eine preisliche Differenzierung zwischen klimafreundlichen und klimaschädlichen Produkten wird nicht geplant.
Ähnliches gilt für Treibhausgas-Zölle und die meisten der empfohlenen Maßnahmen in Bereichen wie Raumordnung, Landwirtschaft und Verkehr.
Bei den Experimentierräumen geht es dem Klimarat vor allem um soziale Innovationen, die Antwort konzentriert sich auf Technologie und “innovative Marktmodelle”.
Im Bereich Bildung fehlt generell die kritische Auseinandersetzung mit unserem Wirtschaftssystem, die Diskussion alternativer Wirtschafts- und Lebensformen und die Auseinandersetzung mit der Geschichte des fossilen Kapitalismus.
Zu begrüßen sind das Verbot zur Vernichtung von Neuwaren und die Maßnahmen zur verpflichtenden Reparierbarkeit von Produkten, zur Abfallvermeidung und zur Kreislaufwirtschaft generell.
Wo der Klimarat mehr Partizipation und die Regulierung von Marktprozessen vorschlägt und wo er sich an einer regenerativen Lebensweise statt der Ausbeutung von Ressourcen zu ökonomischen Zielen orientiert, bleibt er ungehört. Akzeptiert wird, was zur bestehenden Politik in ihrer Wachstumsorientierung passt und die Kompetenzen der bestehenden Institutionen von den Gemeinden über die Länder bis zur europäischen Union nicht in Frage stellt. In der Summe ist das die Strategie des “Zu wenig, zu spät”, von der der Club of Rome in seinem neuesten Bericht spricht.
Wir brauchen Klimaräte, die der Politik verbindliche Richtlinien vorgeben
Für Extinction Rebellion haben Bürger:innenräte eine entscheidende Funktion beim Handeln gegen die Klimakatastrophe. Bürger:innenräte können einen Konsens der Bevölkerung über dringende Maßnahmen herstellen, sie repräsentieren alle betroffenen Gruppen der Gesellschaft, ihre Mitglieder sind nicht von Lobbyisten abhängig. Sie stellen durch wissenschaftliche Begleitung sicher, dass Entscheidungen so faktenbasiert wie möglich getroffen werden. Bürger:innenräte haben in der Praxis bewiesen – vor allem in Irland – dass sie Demokratiekrisen lösen können.
Die Klimakatastrophe und die mit ihr verbundene Multikrisis hat auch die Demokratien in eine der schlimmsten Krisen seit ihrem Bestehen gestürzt: Sie erweisen sich bisher als unfähig, auf die existenzielle Bedrohung durch die globale Erhitzung und die Überschreitung der planetaren Belastungsgrenzen adäquat zu antworten. Deshalb kämpft Extinction Rebellion auch mit zivilem Ungehorsam für Klimaräte als Instrument einer demokratischen und konsensualen Politik in der Klimakatastrophe.
Die Rückmeldung des BMK ist ein Beispiel dafür, wie unsere Institutionen mit den unzureichenden Mitteln der herkömmlichen Politik auf die Herausforderungen der Klimakrise reagieren. Die Chance für einen Neubeginn, die der Klimarat bietet, wird kaum genutzt. Die Vorschläge werden blockiert oder kanalisiert, bis sie mit der bisherigen, unzureichenden Klima-Governance kompatibel sind. Als Ausweg aus der Krise werden genau die Mittel gewählt, die in die Krise hineingeführt haben – obwohl der Klimarat selbst ein neues Mittel demokratischer Politik ist und viele seiner Vorschläge transformativen Charakter haben.